Deutschlands Verantwortung für Europa
13.06.2018

Soziale Spaltungen überwinden, eine Antwort auf die Flüchtlingsfrage finden und in die Zukunft investieren.

Deutschland droht seine historische Verantwortung für Europa zu verfehlen: durch Blindheit gegenüber den zunehmenden Gefahren für Europa und durch Mutlosigkeit, ihnen entschieden und fantasievoll zu begegnen. Die Zukunft Europas darf sich nicht auf wirtschaftliche und finanzielle Überlegungen beschränken.

Schon 2012 hat der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski uns Deutschen den prägnanten Satz entgegengehalten: „Ich fürchte die deutsche Macht weniger als die deutsche Untätigkeit.“ Dabei unterstrich er den Unterschied zwischen „Dominanz“ und Machtausübung als verantwortliche Führung. Sie hat nicht nur die eigenen Interessen im Blick, sondern das europäische Ganze.

Wir müssen jetzt endlich die „deutsche Untätigkeit“ überwinden und verantwortlich handeln, denn wir stehen vor einer dramatischen Entwicklung: Großbritannien verlässt die EU. In Italien hat eine Regierung die Macht übernommen, die der EU und der gemeinsamen Währung höchst skeptisch gegenübersteht. Die Spaltungen zwischen Ost- und Westeuropa ebenso wie zwischen Süd- und Nordeuropa vertiefen sich. Bei vielen Nachbarn ist ein Widerwille gegen die schon von Sikorski kritisierte deutsche Dominanz entstanden, sei es in der Wirtschaftspolitik, sei es in der Flüchtlingsfrage.

Auf diese bedrohlichen Entwicklungen ist Deutschland bisher eine Antwort schuldig geblieben. Die deutsche Politik sollte eine Vision für ein Europa mitentwickeln, das seine Bürger schützt.

Endlich die Sorgen unserer europäischen Nachbarn ernst nehmen, sich an ihre Stelle setzen und mit ihnen zusammenstehen: das ist jetzt das Gebot der Stunde. Die vernebelnde Warnung vor einer Transferunion muss aufhören. Sie steht im krassen Gegensatz zu Deutschlands wohlverstandenem langfristigem Interesse. Das liegt in einer solidarischen und verlässlichen europäischen Zusammenarbeit. Ohne sie können wir in einer Globalisierung, die unsere Werte zunehmend missachtet, unsere Lebensweise in demokratischer und sozialer Verantwortung, unsere wirtschaftliche Stärke und unsere Kultur nicht verteidigen.

Unsere Regierung muss jetzt endlich den Mut aufbringen, zusammen mit den europäischen Nachbarn auch mit solidarischer Haftung die notwendigen europäischen Zukunftsinvestitionen auf den Weg zu bringen. Sie muss helfen die sozialen Spaltungen innerhalb Europas, die verheerende Arbeitslosigkeit und die Jahre lange Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher in Südeuropa zu überwinden. Sonst wenden sich immer mehr Menschen von Europa ab. Und sie muss schnell eine kreative europäische Antwort auf die Flüchtlings- und Migrationsfrage geben, die zum entscheidenden Nährboden für die wachsenden rechtsextremen Kräfte in Europa geworden ist. Es ist möglich, dafür humane und gerechte Regelungen zu finden.

Geben wir uns einen Ruck! Setzen wir uns ein für ein Europa der Solidarität!

2. Juni 2018

Gesine Schwan
Ulrich Wickert

Unterzeichner, Stand 21. Juni 2018:

Mazda Adli

Jutta Allmendinger

Dietmar Bartsch

Hadmut Bittiger

Helmut Bittiger

Tim Bittiger

Thomas Bock

Tom Bohn

Norbert Walter Borjans

Andreas Botsch

Franziska Brantner

Joana Breidenbach

Tatjana Brode

Jermyn Brooks

Lisette Buchholz

Thymian Bussemer

Catherine Colliot-Thélène

Daniela Danz

Cornelia Dümcke

Detlef Dzembritzki

Peter Eigen

Fahimeh Farsaie

Karl-Hermann Fink

Susanne Flimm

Dieter Forte

Ute Frevert

Detlev Ganten

Nana Garrett-Bleek

Susanne Goga

Armtraud Hartmann

Wolfgang Hartmann-Besche

Tina Hassel

Sylvia Hauer

Barbara Hendricks

Thomas Hengelbrock

Ulrich Herrmann

Uwe-Karsten Heye

Rainer Hoffmann

Gustav Horn

Willi Jasper

Joachim Kalka

Sabine Kebir

Jochen Kelter

Dominik Kirchdorfer

Klaus Kirschner

Harald Kischlat

Hubert Klöpfer

Jürgen Kocka

Ute Koczy

Charlotte Köttgen

Jan Koneffke

Ursula Krechel

Lukas Krüdener

Kathrin Lange

Christine Lehnen

Wolf Lepenies

Jonas Lüscher

Paul Michael Lutzeler

Beate Maes

Alfredo Märker

Kristof Magnusson

Birgit Mahnkopf

Evelies Mayer

Anja Mihr

Nils Minkmar

Andreas Montag

Edda Müller

Susan Neiman

Ralf Nestmeyer

Wolfgang Niess

Hellmuth Opitz

Patricia Oster-Stierle

Jochen Partsch

Martin Patzelt

Lore-Maria Peschel-Gutzeit

Heinrich Peuckmann

Dietger Pforte

Thomas Podhostnik

Ursula Raue

Nikola Richter

Dominik Riedo

Mark Sasserath

Gerhard Schick

Jens Schneider

Ilka Schönhöfer

Peter Schönhöfer

Friedrich Schorlemmer

Christa Schuenke

Torsten Schulz

Sascha Spoun

Klaus Staeck

Peter Steinbach

Rupert Graf Strachwitz

Johano Strasser

Michi Strausfeld

Jürgen Streich

Leander Sukov

Klaus Theweleit

Wolfgang Thierse

Max Tidof

Axel Troost

Astrid Vehstedt

Regula Venske

Martin A. Völker

Klaus Vogel

Keto von Waberer

Angela Wagner-Bona

Peter Waller

Rainer Wedler

Stefan Weidner

Christina Weiss

Herbert Wiesner

Wolfsmehl

Christian Zacker

Harro Zimmermann

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